
WIR sind eine bunt gemischte Kindergruppe bestehend aus drei Mädels, Natalie, Frieda, Valerie, und vier Jungs, Pauli, Maxi, Manuel und Bruno, ein Kind mit 5p-Minussyndrom.
Vor über einem Jahr trafen WIR als einzigartige, individuelle ICHs in Petras Kindergruppe aufeinander. Meist auf uns selbst ausgerichtet und darauf konzentriert, möglichst zuerst an ein bestimmtes Spielzeug, Buch oder anderes zu gelangen.
Jeder hatte seine eigenen Interessen, Bedürfnisse und Eigenheiten, die er unbedingt rasch umsetzen und einbringen wollte. Unsere Tagesmutter war immer unterstützend, tröstend oder ermutigend an unserer Seite, wenn wir plötzlich an Grenzen stießen.
Erstes Lernen in der Gruppe
Wir lernten, dass etwas, das für den einen lustig ist, nicht unbedingt auch für die anderen gilt. Wir trauten uns auch einmal „Nein“ zu sagen, wenn jemand unserer persönlichen Grenze zu nahekam. Und lernten, dass nicht immer ICH zuerst komme, sondern auch noch andere da sind. Wir bemerkten, dass jeder irgendwie anders ist als man selbst. Sei es im Aussehen, in der Wesensart, im Handeln und Tun, in der Art unserer Kommunikation …
Bruno hat eine spannende Sammlung, um sich auszudrücken. Er kommuniziert fröhlich mit Gesten, Geräuschen, Lauten. Er zeigt seine Sympathie uns gegenüber, indem er uns streichelt, sich anlehnt oder einfach mal seinen Kopf in unseren Schoß legt.
Viele ICHs …
Doch gerade diese Vielfalt unserer ICHs ließ uns offen werden für Unvorhergesehenes, Unbekanntes, Spontanität, Kreativität und vielerlei Arten untereinander zu kommunizieren.
… und DUs
Auf grund dieser Vielfalt beobachteten und verglichen wir viel. Wir entdeckten eines Tages, dass unser ganz individuelles ICH doch manches mit einem anderen ICH gemeinsam hat. Wir entdeckten das DU. Langsam begriffen wir, dass wir trotz aller Verschiedenheiten doch immer wieder Gruppen waren, die etwas gemeinsam hatten. Unabhängig vom Alter und Entwicklungsstand sahen wir bei anderen etwas, das wir auch hatten oder wollten.
Und ein WIR
Schon gab es UNS, das WIR war entdeckt. „Sieh mal, wir haben beide eine blaue Hose an. WIR sind gleich!“ oder „Ich will auch Lego bauen. WIR spielen Lego“. Es kam immer häufiger zum gemeinsamen Leben und Erleben. Und zwar unabhängig davon, ob jemand jünger oder älter war oder besondere Bedürfnisse aufwies. Das momentane, gemeinsame Interesse zählte.
Wurde das „Anderssein“ von Bruno zu Beginn von einigen Kindern eher skeptisch und unsicher aufgenommen, ist dies mittlerweile Normalität. Er wird als persönliches, individuelles ICH wahrgenommen, das wie alle anderen immer Bestandteil einer Gruppe ist.
Man trifft sich als WIR beim Legobauen, Eisenbahnspielen, Buddeln in der Sandkiste oder Kuscheln.
Durch das gemeinsame Spielen erkannten wir, dass unsere eigenen Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Wünsche sich immer wieder mit denen anderer Kinder decken. Gemeinsam können wir sie angemessen, achtsam und einfühlsam ausleben.
Wir haben gelernt, dass Anderssein jedes Kindes, egal welchen Alters, welcher Herkunft oder Behinderung, anzuerkennen und anzunehmen. Dadurch gestaltet sich unser Alltag als harmonisches MITEINANDER, in dem jeder Einzelne von uns jetzt selbstbewusst, offen, neugierig und kreativ auf neue Herausforderungen zugehen kann.
Die Kindergruppe von Petra W., Tagesmutter aus Hitzendorf
